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Der Bundesrat will das Notrecht verlängern

Von Christoph Pfluger

Der Bundesrat schlägt mit dem «Covid-19-Gesetz» eine Verlängerung seiner notrechtlichen Befugnisse bis Ende 2022 vor. Das Parlament soll die Vorlage in der Herbstsession als dringliches Bundesgesetz verabschieden und damit die Referendumsmöglichkeiten einschränken.
Pünktlich zum Sessionsende hat der Bundesrat seinen bereits am 8. April gefällten Entscheid wahr gemacht und ein Bundesgesetz in Vernehmlassung geschickt, das die Massnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie «durch Parlamentsentscheid legitimiert», wie es in den Erläuterungen heisst. Es ermächtigt ihn, die notrechtlichen Massnahmen bis Ende 2022 auf gesetzlicher Grundlage weiterzuführen.

Der Zeitpunkt des Beginns der Vernehmlassung ist vielsagend: Am frühen Nachmittag des letzten Tages der Sommersession hat die Bundeskanzlei den Entwurf des Bundesrates für ein «Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie» veröffentlicht. Die Parlamentarier hatten nicht einmal Gelegenheit, während der Mittagspause einen ersten Blick auf das brisante Papier zu werfen.

Man darf daraus schliessen, dass der Bundesrat die Debatte über dieses notrechtliche Instrument möglichst kurz halten will. Darauf deutet auch die Verkürzung der Vernehmlassungsfrist von drei Monaten auf drei Wochen hin. Zudem beantragt der Bundesrat dem Parlament, die Vorlage als «dringliches Bundesgesetz» zu klassifizieren. Die Folge davon ist, dass es sofort in Kraft tritt und durch ein allfälliges Referendum nicht aufgeschoben werden kann. Auch eine Volksabstimmung würde erst stattfinden, wenn das Gesetz längst in Kraft und die von vielen Seiten beschworene «neue Normalität» eingetreten ist.

Die Vorlage, die eine ganze Reihe von Gesetzen bis Ende 2022 ändert, ist aus mehreren Gründen umstritten:

Der Bundesrat hat ohne rechtliche Grundlage, aber mit politischer Billigung gehandelt. Dies soll das dringliche Bundesgesetz nachträglich legitimieren.

  • Nachträgliche Legitimation: Das vorgeschlagene dringliche Bundesgesetz legitimiert nachträglich die Massnahmen, die der Bundesrat im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie ergriffen hat, wie er auf Seite 6 der Erläuterungen zum Gesetz auch bestätigt. Art. 185 der Bundesverfassung gibt dem Bundesrat zur Wahrung der inneren Sicherheit die Kompetenz, befristete «Verordnungen und Verfügungen» zu erlassen, nicht aber Gesetze zu ändern oder gar Teile der Verfassung ausser Kraft zu setzen. Das hat er aber getan – mit stillschweigender Billigung des Parlaments, das seine Frühjahrssession vorzeitig abgebrochen und in der Sondersession die rechtlichen Fragen des Pandemie-Managements gar nicht behandelt, sondern sich weitgehend darauf beschränkt hat, Kredite zu sprechen. Der Bundesrat hat ohne rechtliche Grundlage, aber mit politischer Billigung gehandelt. Dies soll das dringliche Bundesgesetz nachträglich legitimieren.
  • Kein Bedarf für eine gesetzliche Regelung: Der Bundesrat verfügt schon jetzt über die Instrumente, einem neuen Auftreten der Pandemie zu begegnen, wie er selbst in den Erläuterungen schreibt: «Kann einer [nach Ablauf der Notverordnungen] neuen Situation (z. B. bei einer ‹zweiten Welle› der Epidemie) nicht anders als durch bundesrätliches Verordnungsrecht begegnet werden, ist ein erneutes, auf Artikel 185 Absatz 3 BV gestütztes Tätigwerden des Bundesrats rechtlich möglich, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.» (S. 6)

Es ist nicht plausibel, dass eine zweite Welle anderthalb bis zehnmal so viele Todesopfer fordern soll.

  • Unnötige Verlängerung des Notrechts: Mit dem dringlichen Bundesgesetz verlangt der Bundesrat vom Parlament und dem Souverän die Verlängerung der notrechtlichen Kompetenzen, die er sich während der Pandemie angeeignet hat. Die Begründung dafür ist schwach. Der Bundesrat spricht in seinen Erläuterungen etwas vage von einer «zweiten Welle» (S. 6). Die «Ecole polytechnique fédérale de Lausanne» (EPFL) hat in Zusammenarbeit mit der Johns Hopkins University eine Modellrechnung erstellt, die für den Sommer 5000 bis 20’000 Covid-19-Tote prognostiziert. Das Modell enthält allerdings gravierende Fehler. Unter anderem gehen die Autoren unter der Leitung von Prof. Fellay (der auch Mitglied der bundesrätlichen «Swiss National Covid-19 Task Force» ist) davon aus, dass alle Infizierten auch krank werden und dass alle Altersstufen derselben Sterbewahrscheinlichkeit unterliegen. Beide Annahmen waren schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie nachweislich falsch und verändern die Modellrechnung um Grössenordnungen. Es ist nicht plausibel, dass eine zweite Welle anderthalb bis zehnmal so viele Todesopfer fordern soll.
  • Umfassende Ermächtigung des Bundesrates unter Ausschaltung von Parlament und Souverän: Das dringliche Bundesgesetz regelt nicht nur die direkte Bekämpfung der Pandemie (Primärmassnahmen), sondern auch «Massnahmen zur Bewältigung von Folgeproblemen, die sich erst durch die Ergreifung der Massnahmen nach dem Epidemien-Gesetz ergeben», sog. «Sekundärmassnahmen». Für solche grösstenteils vorhersehbare Massnahmen besteht keine explizite Dringlichkeit. Sie können auf ordentlichem parlamentarischem Weg eingebracht werden, es sei denn das Parlament gewähre einzelnen Massnahmen den Status der Dringlichkeit.
  • Punktuelle Aufhebung der Regulierungen für Heilmittel: Das dringliche Bundesgesetz gibt dem Bundesrat die Kompetenz, Ausnahmen von der Zulassungspflicht für Arzneimittel zu gewähren – in Frage kommen namentlich Impfstoffe. Angesichts der Tatsache, dass Sars CoV-2 überwiegend für klar definierbare Risikogruppen gefährlich ist (die geschützt werden können), nicht aber für die allgemeine Bevölkerung, sind dringliche Ausnahmen für unzureichend geprüfte Impfstoffe nicht angezeigt. Dazu kommt, dass mit solchen Ausnahmen ein bedeutender Impfstoff-Investor begünstigt werden könnte, welcher der Zulassungsbehörde Swissmedic in diesem Jahr bereits 900’000 Dollar geschenkt hat.

Es ist nicht opportun, Notrechtserlasse ohne seriöse parlamentarische Evaluation der Massnahmen als Bundesrecht zu verstetigen.

  • Voreilige Sanktionierung der Pandemiemassnahmen: Auf Seite 5 seiner Erläuterungen gibt der Bundesrat zu, dass seine Massnahmen «mit dem Andauern der Krise und dem wachsenden Volumen von Notrechtserlassen zunehmend in die Kritik von Wissenschaft und Medien sowie von einzelnen Mitgliedern der eidgenössischen Räte» geraten sei. Es ist nicht opportun, diese Notrechtserlasse ohne Aufarbeitung dieser Kritik und ohne seriöse parlamentarische Evaluation der Massnahmen als Bundesrecht zu verstetigen. Besonders ins Gewicht fällt dabei die Tatsache, dass der Lockdown nicht nur in der Schweiz, sondern auch in anderen Ländern nach dem Rückgang der Infektionsrate verordnet wurde. Die Mortalität, die insgesamt einer stärkeren Grippewelle entspricht (2015 gab es 25 Prozent  mehr Grippetote), legitimiert keine Massnahmen, die zu wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen führen. Selbst Schweden, das keinen Lockdown durchführte, erlebte seit 1994 zwei Grippewellen mit höherer Mortalität, ohne dass dies Aufsehen erregt, geschweige denn zu Reisewarnungen geführt hätte.
  • Kein Krisenmanagement gegen den Souverän: Die Bewältigung einer Krise erfordert einerseits notrechtliche Kompetenzen, über die der Bundesrat bereits verfügt. Es erfordert aber auch eine Zusammenarbeit zwischen Regierung und Bevölkerung, ganz besonders in einem Land wie der Schweiz, in dem das Kollektiv der Bürgerinnen und Bürger den Souverän darstellt. Diese Zusammenarbeit wird fundamental in Frage gestellt durch die dringliche Änderung einer ganzen Reihe von Gesetzen, durch Beschneidung der Rechte des Parlaments und durch die Behinderung der Volksrechte. Bei dringlichen Bundesgesetzen hat ein Referendum keine aufschiebende Wirkung. Eine Abstimmung findet erst nach Inkrafttreten statt, was seine Erfolgschancen zusätzlich mindert. Da der Bundesrat Krisen nach wie vor mit Notverordnungen bewältigen kann, besteht keine Notwendigkeit, die Volksrechte einzuschränken.

Es gibt gute Gründe, an der Lauterkeit des bundesrätlichen Gesetzesvorschlages zu zweifeln. Er ist weder nötig oder verhältnismässig, noch entspricht er den Normen einer direktdemokratischen Rechtsordnung. Umso mehr folgt er einem internationalen Trend, nach dem Regierungen die während der Pandemie angeeigneten Ermächtigungen in dauerhaftes Recht überzuführen versuchen. So liegen dem deutschen Bundestag gleichzeitig zwei Anträge vor, die «Epidemische Lage von nationaler Tragweite [zu] beenden» und ein «Covid-19-Rechtsverordnungsweitergeltungsgesetz» zu erlassen.

Es bestätigt sich damit die historische Erfahrung, dass ausserordentliche Kompetenzen, die Regierungen gewährt wurden oder die sie sich genommen haben, auch behalten werden, zum Nachteil der Grundrechte und der Stellung des Souveräns. Auch in der Schweiz, die sich gerne und mit einem gewissen Recht als demokratischer Sonderfall bezeichnet.
Von 1930 bis 1945 haben Bundesrat und Parlament das dringliche Bundesrecht oft und nicht immer gerechtfertigt eingesetzt. Und es brauchte nicht weniger als sieben Volksinitiativen (die alle von Bundesrat und Parlament abgelehnt wurden), bis 1952 die direkte Demokratie wiederhergestellt wurde. (David Eugster: Das Vollmachtenregime in der Schweiz und Historisches Lexikon der Schweiz: Vollmachtenregime)

Es ist also erfahrungsgemäss schwierig, nach einer Krise die Volksrechte wiederherzustellen. Umso wichtiger ist es, dem Gesetzesprojekt des Bundesrates gleich zu Beginn entschieden entgegenzutreten.

Was kann getan werden?

  • Appell an die Mitglieder des Parlaments, das Gesetz zurückzuweisen oder ihm zumindest die Dringlichkeit zu verwehren: Das wurde bereits getan und soll aus verschiedenen Quellen auch wiederholt werden, möglichst mit persönlichem Brief (Adressliste hier) Die National- und Ständeräte sollen spüren, dass sich die aktiven Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für die Volksrechte einsetzen. Ob solche Appelle zum Ziel führen, scheint zur Stunde allerdings fraglich. Die Bundesversammlung hat es drei Sessionen lang versäumt, die wichtigen Fragen zum Pandemiemanagement zu stellen und sich im wesentlichen darauf beschränkt, ein paar Dutzend Milliarden zur Linderung der Folgen zu verteilen.
    Eine Leserin, die sämtliche deutschsprachigen Parlamentsmitglieder mit der Forderung nach einer Parlamentarischen Untersuchungskommission angeschrieben hat, erhielt immerhin ein knappes Dutzend Antworten. Tenor: Die Linke unterstützt den Bundesrat und sieht keinen Anlass für eine PUK. Die SVP scheint Aufklärung zu wünschen, will aber den Bericht der Geschäftsprüfungskommission abwarten. Eine Überführung des Notrechts in dringliches Bundesrecht scheint einigen unnötig. Mitglieder anderer Parteien haben das Schreiben nicht beantwortet. Es wird in der weiteren Kampagne also nicht zuletzt darum gehen, die Volksrechte als Kernanliegen auch des linken Spektrums darzustellen.
  • Sich an der Vernehmlassung beteiligen: Die Bundeskanzlei lädt die Kantone, die Parteien und die gesamtschweizerischen Dachverbände ein und veröffentlicht ihre Stellungnahmen. Beteiligen können sich aber alle Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Die Vernehmlassungsfrist läuft noch bis zum 10. Juli. Unterlagen gibt es hier.
    Antworten sind als pdf- und Word-Datei zu richten an: recht@bk.admin.ch
  • Lancierung eines Referendums: Es kann zwar ein dringliches Bundesgesetz nicht aufschieben und die Abstimmung erfolgt erst mit Verzögerung. Aber es ist das einzige Volksrecht, das uns bleibt. Deshalb muss es schnell und kraftvoll angewendet werden. Wenn schon vor Beginn der Herbstsession viele Leute durch Hinterlegung ihrer eMail-Adresse ihre Beteiligung am Referendum signalisieren, lässt sich das Parlament möglicherweise umstimmen. Ziel muss sein, dass es das Gesetz zurückweist oder ihm zumindest die Dringlichkeit aberkannt.

Mit anderen Worten: Wir lancieren das Referendum jetzt, damit wir es später nicht ergreifen müssen.

 

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