Text: Eric Felley / Le Matin
Die Nationalversammlung hat gerade einen Text verkündet, der den Baum zu einem „sensiblen Lebewesen“ macht, der Anspruch auf „Achtung seiner physischen, luft- und unterirdischen Unversehrtheit“ hat. Und es ist absolut ernst gemeint.
Ziel dieser Erklärung ist es, die Sichtweise der Menschen auf Bäume zu verändern, die keine „bloßen Objekte“, sondern „Rechtssubjekte“ sind. Dies bleibt jedoch vorerst eine Erklärung ohne bindende Wirkung.
Frankreich, das Land der Menschenrechtserklärung vom 26. August 1789, hat gerade einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Gebiet der Lebensrechte auf diesem Planeten getan. Am 5. April verkündete die Nationalversammlung eine „Tree Bill of Rights“, die viele Schweizer zum Lächeln bringen kann. Es gibt fünf Artikel, in denen ihre Rechte festgelegt sin
Sie sind vorerst nicht verbindlich, aber ihre Verfechter sind nicht verzweifelt: „Der Text zielt darauf ab, die Sichtweise und das Verhalten der Menschen zu verändern, erklären die Autoren, und machen auf die entscheidende Rolle der Bäume in ihrem täglichen Leben und in der Zukunft aufmerksam, und ebnen damit den Weg für schnelle Änderungen der Gesetzgebung auf nationaler Ebene“. Hier ist, was da steht:
„Artikel 1
Der Baum ist ein ortsgebundenes Lebewesen, das in vergleichbaren Anteilen zwei verschiedene Umgebungen einnimmt, die Atmosphäre und den Boden. Im Boden entwickeln sich Wurzeln, die Wasser und Mineralien aufnehmen. In der Atmosphäre wächst das Vordach, das Kohlendioxid und Sonnenenergie auffängt. Damit spielt der Baum eine grundlegende Rolle für das ökologische Gleichgewicht des Planeten.
Artikel 2
Der Baum, ein Lebewesen, das für Veränderungen in seiner Umgebung empfindlich ist, muss als solcher respektiert werden und darf nicht auf ein einfaches Objekt reduziert werden. Er hat Recht auf den über- und unterirdischen Raum, den er benötigt, um sein volles Wachstum zu erreichen und seine Dimensionen als Ausgewachsener zu erreichen. Unter diesen Bedingungen hat der Baum das Recht auf Achtung seiner physischen, luftigen (Äste, Stämme, Blätter) und unterirdischen (Wurzelwerk) Integrität. Die Veränderung dieser Organe schwächt ihn ernsthaft, ebenso wie es der Einsatz von Pestiziden und anderen toxischen Substanzen tut.
Artikel 3
Der Baum ist ein lebender Organismus, dessen durchschnittliche Lebensdauer weit über der des Menschen liegt. Er muss ein Leben lang respektiert werden, mit dem Recht auf freie Entwicklung und Fortpflanzung, von Geburt an bis zum natürlichen Tod, ob es sich nun um einen städtischen oder ländlichen Baum handelt. Der Baum muss als Rechtssubjekt betrachtet werden, einschließlich der Regeln für das menschliche Eigentum.
Artikel 4
Einige Bäume, die von Menschen als bemerkenswert für ihr Alter, ihr Aussehen oder ihre Geschichte angesehen werden, verdienen zusätzliche Aufmerksamkeit. Indem sie zu einem gemeinsamen biokulturellen Erbe werden, erreichen sie einen höheren Status und verpflichten den Menschen, sie als „Naturdenkmäler“ zu schützen. Sie können in ein Landschaftsdenkmalschutzgebiet eingetragen- und so aus ästhetischen, historischen oder kulturellen Gründen verstärkt geschützt und aufgewertet werden.
Artikel 5
Um den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden, werden einige Bäume gepflanzt und genutzt, die notwendigerweise den oben genannten Kriterien entgehen. Bei der Ernte von Wald- oder Landbäumen müssen jedoch der Lebenszyklus der Bäume, die natürlichen Erneuerungskapazitäten, das ökologische Gleichgewicht und die biologische Vielfalt berücksichtigt werden.“
Quelle: Le Matin
